Experten-Interview SOLVARO / Alkyone über TOC: Form to perform – Einfach die richtigen Dingen tun!

EXPERTENINTERVIEW: Braingineer SOLVARO

Gerhard Bullinger, CEO Solvaro GmbH, und Dennis Klippert, Senior Consultant Alkyone Consulting GmbH & Co.KG, beleuchten die Funktionsweise und Entstehung sowie die Umsetzung und den praktischen Nutzen des TOC-Going-live bei Solvaro.

Theory of Constraint (TOC) ist eine softwaregestützte Methodik, die ein innovatives “Lean”-Konzept für Auftragsabwicklung und Produktion verspricht: Musik in den Ohren vieler Unternehmen, die täglich mit Herausforderungen wie u. a. Lieferengpässen oder instabilen Auftragseingängen konfrontiert sind. Ein Werkzeug für die praktische Umsetzung ist die Software Simple Planning, ein weiteres Plan-Do-Check-Act (PDCA)-Boards.

Herr Bullinger, wie funktioniert die Theory of Constraint (TOC)?

Bei TOC geht es im Wesentlichen darum, Engpässe (Constraint) unterschiedlichster Art in Unternehmen zu erkennen und rechtzeitig zu beseitigen, sie erst gar nicht entstehen zu lassen oder sogar bewusst zu platzieren. Wichtig dabei ist, dass ein Engpass nicht immer physischer Natur sein muss. Sprich, jenseits von Maschinen oder Manpower kann dies bspw. auch eine neue Norm, ja selbst eine innere Haltung gegen eine Veränderung sein.

Und welche konkreten Gründe haben Sie überzeugt, TOC in Ihrem Unternehmen einzuführen?

Wir haben ein gut laufendes Unternehmen, das Geschäft boomt, die Kunden schätzen unsere Produkte. Doch auch wir spüren die Grenzen unseres Systems bzw. unserer Planungs- und Handlungsfähigkeit, etwa ausgelöst durch ein schwankendes Auftragsvolumen. Vor diesem Hintergrund verändern wir uns und entwickeln unser Geschäftsmodell und -portfolio kontinuierlich weiter, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Und für alle diese Entwicklungen und Herausforderungen ist TOC nicht nur einer von vielen Bausteinen der Zukunft, sondern schlicht und ergreifend die eine übergreifende Methodik.

“TOC ist nicht nur einer von vielen Bausteinen in der Zukunft, sondern schlicht und ergreifend die eine übergreifende Methodik.” – Gerhard Bullinger, CEO SOLVARO

Herr Klippert, ein kurzer Rückblick: Wie kam es zur Entstehung der TOC?

TOC ist keineswegs ein neues Konzept, es wurde bereits 1984 vom Physiker Dr. Eliyahu M. Goldratt ins Leben gerufen. Was TOC revolutionär machte und noch immer macht, ist die Erkenntnis, dass in jedem System, unabhängig von der Branche, immer eine bestimmte Begrenzung (Constraint) existiert, die die Gesamtleistung und damit auch den Gewinn limitiert – trotz der Anwendung bewährter Management-Methoden.

Und was war vor diesem Hintergrund die Initialzündung für das Alkyone-Offering?

Das Potenzial! Denn die TOC identifiziert diese kritischen Begrenzungrn eines Systems und ermöglicht es, diese gezielt anzugehen. Und das sogar oftmals ohne große Investitionen tätigen zu müssen, um signifikante Verbesserungen zu erzielen. Bereits 1999 hat sich unser CEO Paul Seifriz mit der Alkyone Consulting ausschließlich auf TOC spezialisiert, insbesondere hinsichtlich ihrer transformativen Wirkung auf die Industrie und komplexe Lieferketten.

Herr Bullinger, wie sieht aktuell die konkrete Umsetzung bei Solvaro aus?

Zum einen führen wir die Software Simple Planning ein, mit der wir die TOC-Methodik im Auftragszentrum, im Bereich AV und in der Fertigung umsetzen. Zum anderen implementieren wir einen standardisierten, kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP), die sogenannten Plan-Do-Check-Act (PDCA)-Boards, die direkt im Shopfloor an den Maschinen zum Einsatz kommen.

Welche Vorteile planen Sie damit zu erzielen?

Beherrschen wir die ‚Constraints‘, verbessert sich erstens die Planbarkeit. Zweitens finden Reaktionen auf Herausforderungen für alle Mitarbeitenden nachvollziehbarer und weniger ad hoc statt, und das wiederum resultiert drittens in weniger Stress für alle Beteiligten und erleichtert die tägliche Arbeit. Zudem werden Aufgaben auf mehrere Schultern verteilt und Blockaden bei Entscheidungen rascher aufgelöst als bisher.

Und wovon profitieren Ihre Kunden im Detail?

Von schnelleren Durchlaufzeiten, die unsere Effizienz steigern, und folglich unser Liefertreue optimieren. Außerdem können wir unsere Investitionen gezielter einsetzen, weil wir noch besser wissen, wo sie am besten wirken werden. Und all das kommt einer fortlaufenden Prozessverbesserung zugute, von der Mitarbeitende wie Endkunden gleichermaßen einen Nutzen ziehen.

Welche Auswirkungen hat die Methodik auf den einzelnen Solvaro-Mitarbeiter?

Je nach Position und Arbeitsplatz gibt es viele oder eben wenige direkte Berührungspunkte. Bei uns hat sich zunächst ein Projekt-Team mit der Methodik und der Einführung der Software Simple Planning sowie der PDCA-Boards beschäftigt. Nach dem Kick-off-Workshop haben wir in einem zweiten Schritt definiert, was genau getan werden muss, um die gewünschten Verbesserungen zu erreichen.

Herr Klippert, für welche drei (Haupt-) Herausforderungen eignet sich TOC am besten?

Das Faszinierende an TOC ist die ganzheitliche Herangehensweise: Sie bietet für jede Unternehmenssituation maßgeschneiderte Werkzeuge und verhindert das Entstehen von lokalen Optima. Müsste ich mich auf drei Vorteile festlegen, so würde ich diese nennen:

  • Erstens eine drastische Reduktion der Durchlaufzeiten, denn in der diskreten Fertigung sind es oft nicht die Produktions- oder Rüstzeiten, die Unternehmen langsam und unflexibel machen, sondern die Liegezeiten. Durch eine engpassorientierte Planung können diese um 40 bis über 80 Prozent reduziert werden! Das setzt durch den geringeren Umlaufbestand nicht nur Kapital frei, sondern verschafft Unternehmen eine nicht gekannte Geschwindigkeiten in der Produktion.
  • Zweitens marktsynchrone Bestände: TOC sieht Lagerbestände als genau das, was sie sind – gespeicherte Kapazitäten. Durch den Einsatz der Software werden strategische Entkopplungspunkte wie z. B. X und Ydefiniert und die Bestandshöhen dynamisch an die Marktnachfrage angepasst. Hierdurch werden Marktschwankungen und Veränderungen vergleichbar mühelos aufgenommen und adaptiert.
  • Und drittens steigen Transparenz und Liefertreue: Die Summe dieser Maßnahmen ermöglicht es Unternehmen, strategische Investitionsentscheidungen vollkommen transparent zu treffen. Darüber hinaus erreichen sie eine völlig neue Performance in puncto Liefertreue, und das auf eine nachhaltige und wiederholbare Weise.
“Das Faszinierende an TOC ist sein ganzheitlicher Ansatz: Er bietet maßgeschneiderte Werkzeuge für jede Unternehmenssituation und verhindert das Entstehen von lokalen Optima.” – Dennis Klippert, Senior Consultant Alkyone Consulting

Und was unterscheidet TOC von Konzepten wie Lean Management?

Wenn man es auf den Punkt bringt, stellt man fest, dass sich Lean primär auf die Effizienz konzentriert (Mude, Mura, Muri), wohingegen TOC den Blick auf die Effektivität legt. Oder anders formuliert: Bei TOC geht es weniger darum, ‘die Dinge richtig zu tun’, sondern vielmehr darum, ‘die richtigen Dinge zu tun’. Wenn man TOC in einem Wort zusammenfasst, wäre dieses Wort FOKUS! Es ist aber wichtig zu betonen, dass Lean und TOC keineswegs im Widerspruch zueinanderstehen. Ganz im Gegenteil – sie bereichern und ergänzen sich sogar. Deshalb integrieren wir in unseren TOC-Projekten auch häufig Lean-Werkzeuge. Der Unterschied liegt im Ansatz: Wir setzen diese Werkzeuge mit einem klaren Fokus auf den unternehmensweiten Engpass ein. So stellen wir sicher, dass wir nicht nur lokale Optimierungen erzielen, sondern tatsächlich positive Auswirkungen auf das gesamte Unternehmensergebnis haben.

“Es ist aber wichtig zu betonen, dass Lean und TOC keineswegs im Widerspruch zueinanderstehen. Ganz im Gegenteil – sie bereichern und ergänzen sich sogar. Deshalb integrieren wir in unseren TOC-Projekten auch häufig Lean-Werkzeuge.” – Dennis Klippert, Senior Consultant Alkyone Consulting

Für wen eignet sich die Software Simple Planning, wer nutzt eher TOC-SAP?

Die TOC-Software ‘Simple Planning’ ist das Ergebnis von über zwölf Jahren kontinuierlicher Weiterentwicklung und hat sich in dieser Zeit zu einem vielseitigen Werkzeug entwickelt. Sie kommt nicht nur in mittelständischen Unternehmen, sondern auch in großen Konzernen zum Einsatz. Ein besonderes Merkmal ist die standardisierte Schnittstelle zu einer Vielzahl von ERP-Systemen wie beispielsweise proAlpha, Abas, SAP, Sage und neuerdings auch AP+. Dies war und ist eine strategische Entscheidung der Alkyone Consulting. Denn unser Ziel war es von Anfang an, eine engpassorientierte Unternehmenssteuerung für alle Unternehmen anzubieten, unabhängig vom jeweiligen ERP-System und dessen Hersteller.

Unsere zweite Software-Lösung entstand in enger Kooperation mit SAP Consulting und basiert auf einem sehr erfolgreichen Kundenprojekt. Ein international agierender Konzern äußerte nach einem gemeinsamen Pilotprojekt den Wunsch nach einer SAP-integrierten Lösung, insbesondere im Hinblick auf einen globalen Roll-out. Unsere TOC-SAP-Lösung ist daher ideal für größere, weltweit tätige Unternehmen, die großen Wert auf die Expertise und den Support durch SAP legen. Obwohl der Funktionsumfang und die Algorithmen zwischen den beiden Lösungen im Großen und Ganzen identisch sind, ist die Unterstützung durch einen kompetenten Partner wie SAP Consulting gerade in solch komplexen und umfangreichen Projekten natürlich von unschätzbarem Wert.

Wie geht Alkyone auf die Bedürfnisse von On-Premise-Kunden ein und was bieten Sie im Cloud-Umfeld?

Zurzeit arbeiten wir mit sämtlichen Kunden ausschließlich im On-Premise-Umfeld, und das aus gutem Grund: Unsere Kunden haben dies bislang ausdrücklich so gewünscht. Der TOC-Algorithmus, der in unserer Software Simple Planning zum Einsatz kommt, ist in der Tat sehr datenintensiv. Und da die meisten unserer Kunden ihre ERP-Systeme ebenfalls On-Premises betreiben, haben wir uns genau darauf ausgerichtet, um einen möglichst effizienten Datenaustausch zu gewährleisten.

Allerdings sind wir uns der sich verändernden IT-Landschaft durchaus bewusst, treffen bereits heute viele Vorkehrungen und modernisieren die Software laufend. Was unsere TOC-SAP-Lösung betrifft, so sind wir hier völlig frei. Diese Lösung ist kompatibel mit allen gängigen SAP-Versionen und kann daher entsprechend den Bedürfnissen des Kunden eingesetzt werden.

Und die letzte Frage: Was sind „Aha-Erlebnisse“ Ihrer Kunden?

Eines der eindrucksvollsten ‘Aha-Erlebnisse’, von welchen uns Kunden berichteten, ist die Entdeckung ihres aktuellen operativen Engpasses im Unternehmen. Wenn wir Simple Planning oder unsere TOC-SAP-Lösung erstmalig implementieren, erhalten wir nicht nur Transparenz über notwendige Bestände und Prioritäten in der Disposition und Produktion, sondern auch über den tatsächlichen Engpass, der den Unternehmensgewinn limitiert. Interessanterweise weicht dieser oft von den ursprünglichen Annahmen des Managements ab. Ein Engpass tritt so manches Mal in unerwarteter Gestalt auf.

Das zweite, ebenso erfreuliche ‘Aha-Erlebnis’ tritt ein, wenn das Management beginnt, den Fokus auf diesen identifizierten Engpass zu legen und dadurch den Gesamt-Output des Unternehmens steigert. Obwohl unsere Ansätze und Methoden vollkommen logisch und physikalisch erklärbar sind, erleben wir oft Reaktionen wie ‚Was? Das funktioniert ja wirklich!‘. Das sind die Momente, die uns nicht nur Freude bereiten, sondern auch stolz machen.

FAZIT

Die Theory of Constraint (TOC) ist für Unternehmen relevant, weil sie eine ganzheitliche Methodik zur Ermittlung und Beseitigung von Engpässen bietet, die die Gesamtleistung und den Gewinn einschränken. TOC ermöglicht eine drastische Reduzierung der Durchlaufzeiten, marktsynchrone Bestände und erhöht die Transparenz und Liefertreue. Im Gegensatz zum Lean Management, bei dem die Effizienz im Vordergrund steht, konzentriert sich TOC auf die Effektivität und darauf, die richtigen Dinge zu tun. TOC kann Unternehmen in verschiedenen Branchen dabei helfen, Herausforderungen wie schwankende Auftragsvolumina und instabile Lieferketten zu bewältigen, was zu einer nachhaltigen Prozessverbesserung und Kundenzufriedenheit führt.